Treffen des Hayek-Clubs Frankfurt am Main
Montag, 20. November 2023
19:00 bis 22:00 Uhr
Dr. Carsten Lotz
Philosoph, katholischer Theologe
17 Jahre McKinsey & Company, zuletzt als Partner in Paris
„Eigentum als Bürgerrecht? – Philosophische Perspektiven für eine sich virtualisierende Welt“
"Der Erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen ‚Dies gehört mir‘ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft“, so spottete Jean-Jaques Rousseau vor 250 Jahren über das Konzept des Privateigentums.
Gegen Rousseau wurden im Wesentlichen zwei Argumente vorgebracht: (1) Ohne dass ich Dinge um mich herum (zumindest zeitweise) in meinen Besitz nehme und anderen dadurch vorenthalte, kann ich mein Leben nicht führen. (2) Wenn ich arbeite, dann darf ich die Früchte meiner Arbeit behalten. Ich habe sie mir verdient.
So groß aber die Einigkeit war, dass Eigentum für Freiheit unerlässlich ist, so unterschiedlich behandelten die Philosophen der Aufklärung die Begrenzung der beiden Rechte. Während der Freiheit von Kant im kategorischen Imperativ theoretische Grenzen gezogen werden („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“), kennt er für das Privateigentum nur pragmatische. „Wohin die Kanonen reichen“, so seine Antwort auf die Frage, wie weit das Eigentum gehen könne. Mit dem gleichen Achselzucken schlug John Locke den Kritikern der bestehenden Eigentumsverteilung vor, nach Amerika auszuwandern, dort gäbe es noch unverteiltes Land.
Nun stehen wir heute nicht nur vor dem Problem, dass unsere Kanonen längst überall hin reichen und dass es praktisch kein leicht zugängliches, unverteiltes Land mehr gibt, sondern wir stehen auch vor dem Problem, dass wir Eigentum längst nicht mehr nur am Boden und an Gegenständen behaupten, sondern auch an Unternehmen, an Wertpapieren oder gar an digitalen Werten. Eigentum hat sich virtualisiert, doch auch die Eigentümer haben sich virtualisiert. Mehr als 60% der DAX-Aktien werden von institutionellen Investoren gehalten und gehandelt. – Wie sieht in einer solchen Welt ein Eigentumskonzept aus, das die Freiheit schützt?
In unserem Denken machen wir wenig Unterschiede. Wir tun so, als sei das Eigentum an einem Grundstück dasselbe wie das Eigentum an einem Zertifikat und als sei der menschliche Eigentümer dasselbe wie der virtuelle. Aber ist das tatsächlich so? Was gehört uns da eigentlich? Wem gehört es? Mit welchen „Zäunen“ und „Kanonen“ verteidigen wir es? Und was darf der Eigentümer mit seinem Eigentum anfangen? Dient diese Art von Eigentum eigentlich noch unserer Freiheit, oder begrenzt es sie? Und wie gehen wir mit Konflikten um, wo es die unberührten Weiten der amerikanischen Prärie nicht mehr gibt?
Die neue schöne digitale und virtuelle Welt stellt uns vor Fragen, über die es sich lohnt nachzudenken, gerade weil wir die Antworten noch nicht kennen.
Carsten Lotz ist Autor, Philosoph und Theologe und hat 17 Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey & Company gearbeitet, zuletzt als Partner in Paris.
Er studierte katholische Theologie und Philosophie in Freiburg, Tübingen, Bonn und an der Sorbonne in Paris. Seine Schwerpunkte lagen dabei auf der Dogmatik, der Lehre des Glaubens, und der phänomenologischen Philosophie des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich. Er wurde in Tübingen mit einer Arbeit zur Auseinandersetzung der theologisch-philosophischen Letztbegründung mit Emmanuel Levinas und Jacques Derrida im Fach Dogmatik promoviert. Die Arbeit ist im Schöningh-Verlag in der Reihe Studien zu Judentum und Christentum unter dem Titel Zwischen Glauben und Vernunft erschienen.
Während seiner Zeit als Unternehmensberater arbeitete er vor allem in der Transport- und Energieindustrie. Er begleitete seine Klienten bei großen Infrastrukturvorhaben und bei Unternehmenstransformationen. Zuletzt leitete er die europäische Sparte für Transportinfrastruktur von McKinsey.
Seit August 2023 arbeitet er als freier Autor. In unregelmäßigen Abständen publiziert er unter anderem in der WirtschaftsWoche mit einem philosophischen Blick auf wirtschaftliche Fragestellungen. Parallel arbeitet er an einer Untersuchung der Geschichte der ökonomischen Vernunft, ihren Erfolgen und Grenzen sowie einer Perspektive für ihre Zukunft.
Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt er südlich von Tübingen.
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Sektempfang
Begrüßung Dr. Clemens Christmann
Vortrag Dr. Carsten Lotz
Abendessen
Diskussion
Ende - Ausklang an der Bar
Siesmayerstraße 12, 60323 Frankfurt
oder im Parkhaus Palmengarten, Siesmayerstraße 61